Archiv für den ‘Rentenversicherung’ Tag

Unisex Tarife – viel Lärm um (fast) nichts?

Freitag, Oktober 14th, 2011

Das Frauen länger leben als Männer ist nichts Neues. Das resultiert unter anderem daraus, dass Frauen einfach besser mit sich selbst umgehen. Sie rauchen weniger, trinken weniger und gesünder essen sie erst recht.
Diese Tatsache ist jetzt auch nichts neues, in der Versicherungswirtschaft war sie ein elementarer Bestandteil der Beitragsberechnung. So konnten Frauen günstiger Auto fahren, mussten aber auf der anderen Seite mehr für die Altersvorsorge bezahlen. Immerhin war davon auszugehen, dass die (lebenslangen) Renten länger bezahlt werden müssen.

Seit dem 01.03.2011 ist damit theoretisch Schluss, spätestens zum 21.12.2012 dann auch praktisch. In der Rechtssache C-236/09 beschloss der Europäische Gerichtshof, dass keine Diskriminierung mehr aufgrund des Geschlechtes erfolgen darf.

Erinnert sich noch wer an die Kritik aus der Versicherungswirtschaft? So war von der HUK-Coburg zu hören, dass man das Urteil für falsch halte, da es die Fakten verkenne. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft monierte: „Mit der Entscheidung wird ein zentrales Prinzip der privaten Versicherungswirtschaft, nämlich das Prinzip der Äquivalenz von Beitrag und Leistung, in Frage gestellt.“ Und der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Herr Markus Rieß schrieb in der „Euro am Sonntag“: „Geschlechtsspezifische Statistiken sind und bleiben ein unverzichtbares Mittel, um den gewünschten Versicherungsschutz für alle Kunden möglichst günstig und risikogerecht anzubieten.“
Alle Aussagen aus den Stuttgarter Nachrichten vom 01.03.2011.
Das Ende der Rentenversicherung für Männer wurde prophezeit, müssten diese doch nun wesentlich höhere Beiträge zahlen, was das ganze unattraktiv macht.

Nun nähert man sich dem Jahresendgeschäft und mit dem VolkswohlBund hat die erste Gesellschaft in der Renten- und Riesterversicherung einen Unisex Tarif veröffentlicht. Damit liegen endlich Zahlen auf den Tisch, keine Vermutungen und Spekulationen.

Im folgenden werden zwei Personen berechnet. Person A ist 20 Jahre alt und männlich, Person B ist ebenfalls 20 und weiblich. Beiden gleich ist, dass Sie bis 67 arbeiten wollen müssen und für 100 Euro monatlich eine klassische Rentenversicherung beim VolkswohlBund abschließen. Als Überschussbeteiligung wird die verzinsliche Ansammlung gewählt – Dynamik ist keine integriert.

Da haben wir also den Mann, der mit den neuen Unisextarifen quasi keine Rentenversicherung mehr machen kann.
Das mag bei einer Verrentung des angesparten Kapitals ja eventuell noch begründbar sein. Aber auch hier ist der Unterschied meiner Meinung nach nicht so groß, dass man es nicht mehr abschließen könnte
Hinfällig wird das ganze, wenn man sich eben jenes Kapital beim Eintritt ins Rentenalter auszahlen lässt. Da bekommt man mit dem neuen Unisex Tarif doch sogar mehr.

Frau

Erst eimal sieht man an der rechten Spalte, dass es wirklich Unisex ist. Aber nun gut, das war auch nicht anders zu erwarten.
Die Frau bekommt vom neuen Tarif also fast nichts mit, das Treffen der Tarife findet eher am weiblichen Ende denn in der Mitte statt.

Das waren jetzt die jungen Leute. Wie schaut es aber bei 45-jährigen aus, die nach jahrzehntenlangem Überlegen und Hinauszögern nun doch noch etwas für die eigene Altersvorsorge machen möchten? Mit 100 Euro ist es hier natürlich nicht mehr getan, nach noch mehr Überlegen einigte man sich auf 300 Euro. Die restlichen Annahmen sind aber die selben. Männlich ist nun aber Person C, weiblich Person D.

Mann2

Auch hier also kein Unterschied, der einen mit dem alten Tarif die deutsche Binnenkonjunktur alleine retten lassen könnte.

Frau2

Quasi das identische Bild bei der Frau.

Da die Versicherungsmathematiker und Aktuare beim VolkswohlBund jetzt keine extra Spezies bilden, ist stark davon auszugehen, dass die Unisex Tarife der anderen Gesellschaften eine ähnliche Gestaltung haben werden.
Von der Endzeitstimmung, die herrscht (und die wie hier ersichtlich schon 2003 herrschte), dürfte also nicht viel übrig bleiben. Oder wie man im Volksmund so schön sagt: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Eins ist aber mit den alten und neuen Tarifen gleich. Es ist auch sehr gut in den Beispielrechnungen ersichtlich. Wer früher anfängt, hat später mehr. Und neben der Umstellung der Unisex-Tarife gibt es weitaus entscheidendere Argumente, die Altersversorgung doch noch dieses Jahr zu machen: Die Absenkung des Garantiezinses um 0,5 % und die Erhöhung des frühstmöglichen Eintrittsalters von 60 auf 62 Jahre.